Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15

Auch der unweit der Laeiszhalle aufgewachsene Johannes Brahms war zunächst ja vor allem Musiker. Als Pianist machte er in jungen Jahren von sich reden. Aus Angst, vor dem übermächtigen Vorbild Beethoven nicht bestehen zu können, zögerte er hingegen mit dem Komponieren. Noch bevor er seine erste Symphonie anging, legte er mit dem 1. Klavierkonzert dann aber ein gewaltiges, 50 Minuten langes Werk vor, das im Grunde eine maskierte Symphonie ist. Er schrieb es 1856 und 1857 (vermutlich auch unter dem Eindruck des Selbstmordversuches von Robert Schumann); zwei Jahre später wurde es uraufgeführt. Doch die Anfänge reichen noch weiter zurück. Denn zunächst hatte er eine Sonate für zwei Klaviere im Sinn, dann eine Symphonie und erst später ein Klavierkonzert. Das musikalische Material durchlief also manche formale Mutation. Das hatte Folgen: Die ersten Aufführungen in Hannover und Leipzig  elen durch. Das Publikum erwartete ein klassisches Solisten-Konzert und bekam eine Art Symphonie (nur ohne Scherzo) mit einem Flügel im Zentrum.

Ohne Umschweife präsentiert das Orchester gleich zu Beginn das markante d-Moll-Thema im 6/4-Takt. Maestoso und Fortissimo steht darüber, und so klingen die erst abfallenden und dann aufsteigenden Oktaven auch: Herrschaftlich, schicksalshaft. Ganz anders das zweite Thema, das zunächst das Klavier solistisch übernimmt: Die klaren, beinahe glänzenden Akkordreihen im Piano erscheinen im Vergleich sanft. Dominierend bleibt allerdings das erste Thema, das auch den Schluss dieses für ein Solistenkonzert ungewöhnlich langen ersten Satzes markiert. Es folgt ein Adagio, über das Brahms ursprünglich auf Latein »Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herren« geschrieben hatte – womöglich mit Bezug auf seinen Freund und Helfer Schumann. Die Violinen starten hier gedämpft und stellen ein getragenes Thema vor, das geradezu vorüberzuschweben scheint. Dazu gesellt sich dann das Klavier mit ebenso schwebenden Linien. Im Mittelteil des Satzes bricht Schmerzhaftes durch, doch er endet beschwichtigend.

Das Rondo schließlich steht in gewisser Weise für sich allein, Verweise auf die beiden vorigen Sätze finden sich nicht. Brahms wechselt zu einem flotten 2/4-Takt und stellt ein übermütiges Hauptthema vor, dessen Achtel und Sechszehntel sprunghaft nach oben drängen – bemerkenswert ist hier die synkopische Form mit Betonungen auf leichten Taktteilen. Zudem erleben wir ein zweites Thema in fröhlichem Dur, etwa im Wechselspiel von Klavier und Horn. Nachdem sich der Solist in einer (beinahe virtuosen) Kadenz ausbreiten konnte, endet dieser Konzert-Symphonie-Zwitter in heiter-triumphaler Stimmung.
Johannes Brahms
Johannes Brahms

Historie

22.06.2017 - Tiefen und Höhen der Romantik

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Werke von Brahms und Schumann

14.12.2017 - Apotheose des Tanzes

Guy Braunstein Dirigent

Kirill Gerstein Klavier

Werke von Brahms, Suk und Beethoven