Im 3. Konzert der »Morgen Musik«-Reihe am Sonntag, dem 10. März 2024, um 11 Uhr im Großen Saal der Laeiszhalle, konfrontiert Chefdirigent Sylvain Cambreling ganz im Sinne der gedanklichen Ausrichtung der Reihe in dieser Saison zwei berühmte Walzer von Johann Strauß – »Geschichten aus dem Wienerwald« und »Künstlerleben« – mit Vokalmusik aus drei Jahrhunderten von Mozart, Brahms und Berg. All diese Komponisten hatten ebenso wie der Melodienkönig Strauß einen wichtigen Bezug zu Wien und verbrachten einen nicht unerheblichen Teil ihrer Schaffenszeit in der Donaustadt, wurden von dieser und den Musikströmungen der Stadt somit nachhaltig geprägt. In die bei diesem Programm alles umfassende Klammer von Mozart als Vertreter der Ersten und Berg als wichtigem Gestalter der Zweiten Wiener Schule gesellen sich Strauß und Brahms als zwei sehr unterschiedliche, kompositorisch jedoch beide auf ihre Art höchst wichtige musikgeschichtliche Bindeglieder, ohne die die Entwicklung von der einen zur anderen Wiener Schule kaum denkbar gewesen wäre. Solistin des Abends ist Sopranistin Jane Archibald, es singt der Monteverdi-Chor Hamburg, der von Antonius Adamske einstudiert wird.
Mozarts geistliche Solomotette »Exsultate, jubilate« zeigt eine starke Annäherung an den italienischen Opernstil, entstand sie doch im Januar 1773 in Mailand parallel zu »Lucio Silla« anlässlich der dritten Italien-Reise, die der sechzehnjährige Mozart in Begleitung seines Vaters unternahm. Der Text dieses Werkes stammt aus der Feder eines unbekannten Dichters, es handelt sich – wie für diese Gattung üblich – um eine lateinische Neudichtung, in der sich Bukolisches, Allegorisches und Geistliches miteinander verbindet.
Alban Bergs ausgeprägte literarische Neigung und sein besonderes Sensorium für sprachlich-poetische Valeurs spiegeln sich mit allem Nachdruck schon in seinem Frühwerk wider. Sieben seiner »Frühen Lieder« (aus den Jahren 1905–1908) auf Texte von Lenau, Storm, Rilke, Schlaf, Hartleben, Hauptmann und Hohenberg hat er 1928 gründlich überarbeitet, instrumentiert und sowohl in Klavier- als auch in Orchesterfassung publiziert.
Als gedankliche Ergänzung zu den sieben Liedern Bergs kann Johannes Brahms’ »Schicksalslied« in diesem Programm verstanden werden, ein Werk, das die Verbindung zwischen Menschheit und Schicksal erkundet. Brahms’ nachdenklicher Trauergesang »Nänie« op. 82 nach dem Gedicht Friedrich von Schillers für gemischten Chor und Orchester entstand 1880/81 als Reaktion auf den Tod des von ihm sehr geschätzten Malers Anselm Feuerbach. Im Gegensatz zur dichterischen Vorlage endet Brahms’ »Nänie« hoffnungsvoll: Das Schöne vermag nach dem irdischen Niedergang in der Kunst weiterzuleben. Wie in seinem Deutschen Requiem op. 45 schafft Brahms in der »Nänie« in unvergleichlicher Weise die Verbindung von Trauer und Trost in Musik.
Der Aspekt der durchaus bewusst gewählten Nachdenklichkeit des morgendlichen Konzertprogramms – und der Strauß’schen musikalischen Heiterkeit als starkem Gegenpol zu dieser – spiegelt sich auch ganz besonders in einem der beiden für dieses Programm gewählten Walzer Johann Strauß‘ wider: »Künstlerleben« entstand im Jahr 1867, in dem die österreichische Armee in der Schlacht bei Königgrätz die entscheidende Niederlage im Deutschen Krieg gegen Preußen erlitten und damit die Vorherrschaft im Deutschen Reich endgültig verloren hatte. Aufgrund der getrübten Stimmung in der Kaiserresidenz Wien wurden im Fasching 1867 zahlreiche Bälle und Tanzveranstaltungen abgesagt. Die Strauß-Brüder jedoch verstanden es, durch beschwingte neue Werke wie dem Walzer »Künstlerleben« dieser Stimmung entgegenzuwirken.
Die kanadische Sopranistin Jane Archibald hat sich einen internationalen Ruf für Bühnenauftritte von außerordentlicher künstlerischer Intensität und Schwung, unabhängig von der Tessitura, in einem Repertoire von Zerbinetta bis Alcina, Donna Anna, Daphne und Salome, erworben. Sie ist auf den besten Opern- und Konzertbühnen der Welt aufgetreten, darunter die Metropolitan Opera, die Opéra National de Paris, das Teatro alla Scala u. v. m.
Der Monteverdi-Chor Hamburg zählt als ältestes Ensemble der Universität Hamburg zu den angesehensten deutschen Chören. Richtungweisende Schallplatten- und CD-Aufnahmen sowie zahlreiche erste Preise bei Wettbewerben machten den Chor international bekannt, und Konzertreisen führten ihn in die ganze Welt. Das vielseitige Repertoire des Chors umfasst heute die gesamte Palette der Chormusik – von der Renaissance bis zur Gegenwart. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Alter Musik.