Stabat mater – Sequentia (in Festo Septem Dolorum B.M.V.)

Entstehung: 1736

Anlass: Auftragsarbeit für die Bruderschaft der Kirche Santa Maria della Salute in Neapel

Besetzung: Sopran, Alt, Streicher und Basso continuo

Spieldauer: ca. 40 Minuten

Was hätte dieser begnadete Geiger und Komponist aus dem kleinen Örtchen Jesi bei Ancona noch alles zu Papier gebracht – wäre er nicht schon mit 26 Jahren an Tuberkulose gestorben? Schon als 16-Jähriger machte Pergolesi in Neapel von sich reden, 1732 wurde er dort Kapellmeister und kam 1734 in derselben Position auch nach Rom. Aufgrund seiner Krankheit ging er kurz darauf aber ins Kapuzinerkloster von Pozzuoli, wo er kurz vor seinem Tod das »Stabat Mater« komponierte – den Auftrag dazu hatte er von einer adligen Bruderschaft aus Neapel erhalten. Das 20 Jahre vorher von Scarlatti geschriebene »Stabat Mater« war Pergolesi ganz offensichtlich bekannt, nicht zuletzt die Besetzung ist ähnlich.

Nach seinem frühen Tod sprach im 18. Jahrhundert ganz Europa von Pergolesi – die Musikwissenschaft hatte seitdem allerdings einige Mühe, seine Originale von Nachahmungen zu unterscheiden ... Neben anderen geistlichen Werken und Stücken für die Opernbühne zählt das »Stabat Mater« aber unzweifelhaft zu den Originalwerken sowie darunter zu den wichtigsten Kompositionen aus seiner Feder.

Textgrundlage ist ein christliches Gedicht aus dem 13. Jahrhundert: »Stabat Mater« müsste eigentlich heißen »Stabat Mater dolorosa«. Ins Deutsche übersetzt also etwa: »Es stand die Mutter voller Schmerzen.« Oder wie Christoph Martin Wieland textet: »Schaut die Mutter voller Schmerzen.« Denn erstens umfasst die komplette erste Zeile des Gedichts alle drei Worte. Und zweitens liegt die Betonung auf den Schmerzen (»dolorosa«). Denn gemeint ist hier die Mutter Maria, die um den gekreuzigten Jesus weint. Aus wessen Feder das Gedicht stammt, ist nicht mehr genau zu ermitteln. Es gehörte aber – mit Unterbrechungen – stets zur katholischen Liturgie und wird traditionell am 15. September gebetet.

Das Duett für Alt und Sopran wird zu Beginn instrumental eingeleitet. Schon hier fällt auf, wie frei Pergolesi mit Dissonanzen und Chromatik umzugehen weiß. Die folgende Sopranarie »Ach! wie bangt ihr Herz, wie bricht es« besticht durch elegische Seufzermotive. Im »O quam tristis et afflicta« (O wie bittrer Qualen Beute) singen Alt und Sopran wieder gemeinsam, bevor im vierten Teil »Wie die bange Seele lechzet!« die Altstimme einen expressiven Ton anschlägt und beide Stimmen im »Quis est homo« (Wessen Auge kann der Zähren) mit Chromatik für Aufmerksamkeit sorgen.

Der Sopran folgt mit »Vidit suum dulcem natum« (Sieht den holden Sohn erblassen), worauf der Alt mit »Eia mater fons amoris« (Lass, o Mutter, Quell der Liebe) antwortet – dies ist womöglich der ausdrucksstärkste Teil des Werks. Im Duett »Lass in Liebe mich entbrennen« für Alt und Sopran wird der Zuhörer vom Dunklen ins Helle emporgehoben. »Sancta mater, istud agas« (Drück, o Heil‘ge, alle Wunden) steht gar in Es-Dur. Doch der folgende zehnte Abschnitt »Auch ich will mir Wunden schlagen« berührt wieder tiefste, düstere Schichten. Erst mit den Duetten »Inflammatus et accensus« (Flammend noch vom heil‘gen Feuer) und »Quando corpus morietur« (Deckt des Grabes düstre Höhle) scheint Hoffnung auf: Eines der letzten Worte lautet »Paradies«.

Die Nachwirkungen dieses bewegenden »Stabat Mater« waren stark, Pergolesis Werk wurde europaweit gespielt. Der Universalgelehrte Jean Jacques Rousseau sprach gar von dem »perfektesten und berührendsten Duett aus der Feder irgendeines Komponisten«.

Giovanni Battista Pergolesi
Giovanni Battista Pergolesi

Historie

17.11.2019 - Doppelfenster: Beethoven und Pergolesi

Ion Marin, Rumänischer Nationalkammerchor »Madrigal – Marin Constantin«