Obwohl Leonard Bernstein in seiner »West Side Story« ausdrücklich Bezug auf die europäische Kulturgeschichte nimmt (auf Shakespeares »Romeo und Julia«), weiß er sich doch musikalisch abzugrenzen. Das Drama über die beiden Liebenden, die in verfeindeten Familien aufwachsen, transferiert er ins moderne New York, aus Romeo und Julia werden Tony und Maria. 1957 wurde das Welterfolgs-Musical, aus dem Bernstein drei Jahre später die Symphonischen Tänze exzerpierte, uraufgeführt. Die Ballett-Suite steht durchaus für sich allein, sie ist mehr als eine Aneinanderreihung von bekannten Songs – auch wenn diese natürlich nicht fehlen. Das wesentlichste Merkmal des Musicals bleibt in der Kurzfassung jedoch erhalten: Die rhythmisch extraordinäre, geradezu explosive Gestaltung. Die neun Teile haben meist tänzerischen Charakter, originell ist etwa die Bearbeitung des Songs »Maria« als Cha-Cha-Cha. Zudem beeindruckt der massive Schlagwerk-Einsatz. Man ist versucht zu denken, dieser aufregende, intensive Multikultimix verschiedenster Stile ist das genaue Gegenteil der politischen Banalität des heutigen Nordamerika – zumindest was Washington, D.C. betrifft.
