Entstehung: 1874-75, 2. Fassung 1889
Uraufführung: 25. Oktober 1875 in Boston (USA) mit Hans von Bülow als Solist
Widmung: Hans von Bülow
Spieldauer: ca. 35 Minuten
Dass Peter I. Tschaikowskys erstes Klavierkonzert ein Werk solcher zeitloser Größe ist, zeigt seine Aufführungsgeschichte. Zwar hatte Nikolai Rubinstein, dem Tschaikowsky erste Entwürfe vorgespielt hatte, das Werk abgelehnt, und auch Hans von Bülow, dem es gewidmet ist und der es bei der Uraufführung am 25. Oktober 1875 in Boston schließlich anstelle von Rubinstein spielte, hatte noch Änderungen an der Klavierstimme verlangt. Am Uraufführungsabend waren Publikum und Kritiker allerdings hingerissen – und sind es pausenlos bis heute. Diese Musik, die seit bald 150 Jahren zu den meistgespielten Hits gehört, ist ein reines tänzerisches Fest der Klänge – das jedoch stets die Form wahrt.
Tschaikowsky ist ja ohnehin ein Meister des gepflegten Rausches. Wie er die nicht enden wollenden Steigerungen gestaltet, ist sein Geheimrezept – welches, so vermutet man bei der Analyse, irgendetwas mit Tempo, Dynamik und Modulationen über ansteigende Sekunden zu tun haben muss. Er bedient sich bei lebhaften Melodien aus ukrainischen (siehe erster Satz) oder russischen (siehe dritter Satz) Volksliedern. Mitten im sanften zweiten Satz wirft er einen überaus schnellen Walzer ein. Und seine Kadenzen, von denen es im ersten Satz gleich zwei ausführliche gibt, sind nicht einfach nur virtuos, sondern beispielsweise mit konsequenter Gegenüberstellung von Duolen (zwei Achtel) und Triolen (drei Achtel) in linker und rechter Hand sehr geschickt gearbeitet.
Ein Blick auf den feurigen Beginn, auf die Einleitung zum großen ersten Satz: Der kraftvolle Auftakt aus drei Achteln, die mit einer Terz und dann in Sekundschritten auf die Eins des nächsten Taktes abwärtsführen, weckt Erinnerungen an das rhythmisch ähnliche Motiv aus Beethovens Fünfter, welches gerade in seiner Simplizität besticht. Wie bei Beethoven dient dieser kleine Fetzen Musik als Grundlage für viele weitere Entwicklungen. Nach ein paar Orchesterakkorden im Fortissimo geht es eindrucksvoll weiter: Das Klavier schmettert seinerseits (in der Urfassung noch nicht so mächtige) Akkorde über die gesamte Klaviatur heraus. Übrigens ist das Werk ohne den modernen Konzertflügel des 19. Jahrhunderts kaum denkbar. Die Ansprüche an Technik und Virtuosität sind gewaltig – sowohl des Materials als auch des Solisten. All das steht allerdings im Dreivierteltakt, was anstelle von Kraftmeierei für einen tänzerischen Grundgestus sorgt.
Der zweite Satz ist zarter und bei aller Anmut eher einfach gebaut: In der Flötenstimme hören wir das prägende, liedhafte Thema. Schnelle Walzerklänge und spielerische Klavierläufe durchbrechen im Mittelteil den zarten Charakter, der Satz endet aber so behutsam wie er begonnen hat. Umso kräftiger wirkt das Finale, das wieder im tänzerischen Dreivierteltakt drei Themen vereint: Zunächst das oben erwähnte russische Volkslied, dann eines mit einiger Dvořák-Ähnlichkeit und schließlich eine lyrische Figur, die sich zu einer großen Hymne steigert. Der Schluss ist feurig.
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