Was machte Sergei Prokofjew – mit seinem Geburtsjahrgang 1891 ja eigentlich ein moderner Komponist – in seiner 1918 in Petrograd (heute St. Petersburg) uraufgeführten 1. Symphonie? Er schlägt sich auf die Seite der Konservativen. Das ist schon bemerkenswert. Während in Petrograd, dem Zentrum der damaligen Unruhen, Revolution herrscht, hält sich der junge Mann vorzugsweise abseits der Stadt auf, um dort durch ein Fernrohr Sterne zu beobachten, lange Spaziergänge zu unternehmen und seine Erste zu schreiben. Den Beinamen »Klassische Symphonie« erhielt das vergleichsweise kurze, nämlich nur etwa eine Viertelstunde lange Werke nicht ohne Grund. Denn in den vier knapp gehaltenen Sätzen nimmt Prokofjew deutlich Bezug auf alte Zeiten der Musikgeschichte: »Wenn Haydn noch lebte, dachte ich, würde er seine Art zu schreiben beibehalten und dabei einiges vom Neuen übernehmen. Solch eine Symphonie wollte ich schreiben.«
Eine tänzerische Symphonie im Stile Haydns, geschrieben mehr als 100 Jahre nach Haydn – das wäre allerdings langweilig. Vielleicht höchstens im Sinne der Festhalte-Konservativen. Doch Prokofjew würzt das Werk mit witzigen Verfremdungen. Eine Gavotte ist dann zwar noch eine traditionelle Gavotte. Aber nur in rhythmischer und weniger in harmonischer Hinsicht. Bezeichnend, dass Prokofjew sich noch im Jahr der Uraufführung zu einer jahrelangen Reise ins Ausland (und zu moderneren Kompositionen) aufmachte – und sich so dem Neuen immer weiter öffnete.
14.05.2017 - Tastsinnlich
Ion Marin Dirigent
Mahan Esfahani Cembalo
Werke von Prokofjew, Poulenc und Saint-Saëns