Nach der Pause wieder ein Zeit-Thema: György Kurtág lebt noch. Das muss betont werden, denn sonst erleben wir klassische Musik ja meist als etwas Vergangenes, das auf dem Podium wieder zu neuem Leben erweckt werden muss. Hier ist der Erschaffer noch unter uns, wir können mit ihm über seine Musik sprechen. Und er spricht mit seinen Zeitgenossen: Seine »Messages« für Orchester op. 34 aus den 1990er-Jahren sind kleine Nachrichten an Freunde, die erste beispielsweise ein Brief an Peter Eötvös, der mit zarten Violinsoli beginnt und endet. Kurtág selbst sprach von »Streichholzkompositionen«. Und entsprechend kurz sind sie, meist nur ein paar Takte lang und deshalb zeitlich stark gedehnt oder komprimiert – je nachdem, welche Griseysche Perspektive auf die Zeit man bevorzugt.
Der 1926 geborene Ungar, der seit 2002 auch die französische Staatsbürgerschaft hat, fand vergleichsweise spät zu seinem Stil. Mit Anfang 30 besann er sich in Paris, wo er bei Darius Milhaud und Olivier Messiaen lernte, auf die minutiöse, detailgenaue Arbeitsweise, die auch diese »Messages« auszeichnet. »Dicht« ist wohl das Adjektiv, das sie am ehestens beschreibt. Leise, langsam, konzentriert gestaltete er die Botschaften. Nach eigener Aussage wollte er den betitelten Personen mit der Musik tatsächlich etwas sagen beziehungsweise seinen Empfindungen Ausdruck verleihen: Etwa Alfred Schlee (ein 1901 in Dresden geborener Musikwissenschaftler) in der Nummer zwei, oder Zoltán Jeney (ein ungarischer Komponist des Jahrgangs 1943) in der Nummer vier. Ohne ihnen gegenüber etwas zu empfinden, hätte er die Musik nicht zu Papier bringen können, so Kurtág.
Entsprechend sind diese »Messages« sehr zart und persönlich; ein luzides Alterswerk, das nicht mehr auftrumpfen, imponieren muss. Die Klangfarben im Orchester sind dank Cimbalon, Celesta und Vibraphon trotz der geringen Dynamik reich. In der Nummer drei, der »Hommage à Simon Albert«, spielt das Blech recht gewichtig. Doch der Abschluss mit dem Titel »Blumen sind das Volk – für Zoltán Kocsis in memoriam Ottó Kocsis« gerät dann wieder so still, als wolle Kurtág seine Nachricht kaum mehr flüstern.
16.02.2020 - Schiebefenster: von Mozart zu Szymanowski
Sylvain Cambreling Dirigent
Shai Wosner Klavier
Adrian Iliescu Violine