Nicht ohne mein Notenblatt. Wenn sich im 19. Jahrhundert ein Komponist auf großer Leinwand porträtieren ließ, zeigte er sich meist bei der Arbeit – also mit Papier und Feder in der Hand. Ikonografisch verweist diese Selbstdarstellung auf den damaligen Geniekult. Und auch heute noch sehen wir die Klangschöpfer gerne so: Als einsame, grüblerisch in ihre Manuskripte gebeugte Magier, die ihre Inspiration tief aus ihrem Inneren schöpfen. Doch bei genauerer Betrachtung waren die Komponisten gar nicht so weltfremd. Im Gegenteil: Kaum einer, der nicht auch Musiker oder Dirigent war und sich so hauptsächlich sein Brot verdiente.
Der am 4. Januar 1874 in Böhmen geborene Josef Suk galt beispielsweise als begnadeter Geiger. Kaum erwachsen, gründete er 1892 am Prager Konservatorium mit drei anderen jungen Musikern ein Streichquartett, in dem er die zweite Violine übernahm. Schon bald erregte diese Formation international Aufmerksamkeit; etwa Johannes Brahms zeigte sich bei einem Auftritt in Wien begeistert. Bis 1933, also bis zwei Jahre vor Suks Tod, bestand dieses »Tschechische Streichquartett«, dem stets ein Ruf als Legenden-Ensemble vorauseilte. Als Komponist wiederum spielte Suk eine erst mit den Jahren bedeutender werdende Rolle. Der Einfluss seines Lehrers Antonín Dvořák war vor allem zu Beginn spürbar: Die Verbindung war nicht nur professioneller Natur, sondern auch familiärer; Suk heiratete Dvořáks Tochter Otylka, die schon mit 27 Jahren starb – ein höchst schmerzhafter Verlust für den Ehemann.
Suks musikalische Errungenschaft ist, die von Smetana und Dvořák geprägte tschechische Nationalromantik im Laufe der Zeit weiterentwickelt zu haben. Seine vergleichsweise frühe, 1902 in Prag uraufgeführte Elegie op. 23, die sowohl in einer Fassung für Violine, Violoncello, Streichquartett, Harmonium und Harfe (die im heutigen Konzert erklingt) als auch in einer Fassung für Violine, Violoncello und Klavier existiert, nimmt trotz ihrer Kürze noch Bezug auf den schwelgerischen Geist des böhmisch/tschechischen Nationalstils und lässt doch individuelle Färbungen erkennen. Das Werk mit dem Untertitel »Unter dem Eindruck Zeyer's Vysehrad« (ein Verweis auf den Dichter Julius Zeyer sowie einen Burgwall südlich der Prager Neustadt) erschien 1910 in Prag und lässt die Geige beinahe wie in einem Schubertlied eine kantable Melodie anstimmen, in die auch das Cello einstimmt.
14.12.2017 - Apotheose des Tanzes
Guy Braunstein Dirigent
Kirill Gerstein Klavier
Werke von Brahms, Suk und Beethoven