Den Anfang macht der 1975 in Prag geborene Miroslav Srnka. Er studierte Musikwissenschaft und Komposition in seiner Heimatstadt; Studienaufenthalte führten ihn außerdem an die Humboldt-Universität in Berlin und an das Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris. 2009 erhielt er den renommierten Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung, und 2019 wurde er zum Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln berufen. 2016 fand die vielbeachtete Uraufführung von Srnkas Oper »South Pole« an der Bayerischen Staatsoper München unter Kirill Petrenko statt, inszeniert von Hans Neuenfels, mit Rolando Villazón und Thomas Hampson in den Titelrollen. 2018 beauftragte das Los Angeles Philharmonic bei Srnka das Werk »Overheating«. Es kann einem Komponisten heutzutage schlechter ergehen ...
Srnkas etwa eine Viertelstunde langes Stück »Eighteen Agents« für 19 Streicher wurde 2012 im Prinzregententheater vom Münchner Kammerorchester unter der Leitung von Alexander Liebreich uraufgeführt. Die elf Violinen, vier Bratschen, drei Celli und ein Kontrabass, deren Besetzung trotz der Gesamtzahl durchaus noch kammermusikalisch zu nennen ist, vollführen Bewegungen – allerdings ausnahmsweise weniger in melodischer oder dynamischer Hinsicht, sondern vielmehr in imaginiert-räumlicher. Der Titel legt nahe, dass wir einem gefährlichen, geheimnisvollen Versteckspiel von Spionen beiwohnen. Doch spricht auch die Musik für sich: In selten gehörter Dichte gelang es Srnka, Klänge zu erschaffen, die mal näherkommen, mal verschwinden, die sich ausdehnen und ins Große steigern – oder in sich zusammensinken.
Man kennt Ähnliches aus der Video- oder Internet-Kunst, wenn Farbflächen verschwimmen, sich ausdehnen oder wie zufällig auftauchen. Und so liegen Assoziationen von geometrischen Figuren beim Hören mitunter nahe. Gewohnte musikalische Mittel wie Motiv-Wiederholungen und Polyphonie bietet dieses Stück nur vereinzelt. Flächig-dissonante Sounds dominieren; Mikrotöne inklusive. Nach Dur und Moll sucht das Ohr gar gänzlich vergeblich. Fast so, als seien derlei Ausdrucksweisen in so einer Art »räumlicher« Musik gänzlich inexistent ...
27.10.2022 - Zukunftsglaube
Harry Ogg, Javier Perianes – Werke von Srnka und Mozart