»Schottische Fantasie« für Violine und Orchester op. 46
Dass wir uns an seinen Namen erinnern, verdankt der 1838 in Köln geborene Komponist Max Bruch im Grunde nur einem einzigen Stück: Obwohl er Opern, Symphonien und Chorwerke geschrieben hatte, findet sich sein Name heute nahezu ausschließlich in Verbindung mit seinem ersten Violinkonzert auf den Spielplänen. Er habe mit seinen Kompositionen Geld für die Ausbildung der Kinder verdienen müssen. Deshalb sei er
gezwungen gewesen, gefällige und leicht verständliche Werke zu schreiben, meinte Bruch einmal als quasi vorgreifende Entschuldigung dafür, dass er letztlich wenig Bleibendes hinterlassen hat. Die Musik seiner populären Zeitgenossen Wagner, Reger oder Richard Strauss lehnte er glattweg ab – eine Haltung, die er mit Tschaikowsky teilte. Er war eben eher ein Bewahrer als ein Neuerer. Und ausgerechnet über das Violinkonzert, das doch einzig sein ideelles Fortleben begründen sollte, urteilte Bruch später, es sei »entsetzlich populär geworden«. Das Werk, das Guy Braunstein, Erster Gastkünstler der Symphoniker Hamburg, heute Abend spielt, ist weit davon entfernt, »entsetzlich populär« zu sein, obwohl es eines der anspruchsvollsten Werke der Violinliteratur überhaupt ist: Bruchs Schottische Fantasie verlangt dem Solisten unendlich viel ab, sie ist ungeheuer virtuos. Diese »Fantasie unter freier Benutzung schottischer Volksmelodien« – so der eigentliche Titel – entstand 1879/1880 für Violine, Harfe und Orchester und dauert etwa 32 Minuten. Kein Wunder, dass Bruch das Stück dem großen Meister Pablo de Sarasate widmete. Allerdings war dieser zunächst nicht beeindruckt, sodass in der Uraufführung 1881 in Liverpool der keineswegs geringere Joseph Joachim den Solopart übernahm.
In allen vier Sätzen nach der Einleitung nimmt sich Bruch jeweils ein populäres schottisches Volkslied vor. Das Material dafür sammelte er eigenhändig während einer Rundreise durch Großbritannien. Den Rest erlas er sich bei Sir Walter Scott. Bemerkenswert ist die Vielseitigkeit des Werkes: Denn es finden sich darin entsprechend der Grundkonzeption zarte, gesangliche Passagen, aber auch geradezu wilde Virtuosen-Kabinettstückchen. Wir hören eine feierliche Prozession, eine Art Dudelsack-Imitation, tänzerische Miniaturen und großen Blechbläser-Sound. Alles mutig nebeneinandergestellt, allerdings nicht ohne eine innere Verbindung.
Historie
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