Entstehung: 1904/1905
Uraufführung: 19. September 1908 in Prag
Spieldauer: ca. 80 Minuten
Leid und Glück, Dunkles und Helles machen auch den Reiz der vielschichtigen Siebten des jüdischen Komponisten Gustav Mahler aus. In der Naturidylle am Wörthersee entstanden, zählt die 7. Symphonie zu seinen großen – und etwas rätselhaften – Werken. Denn das Wechselspiel zwischen den emotionalen Extremen hat die Interpreten stets vor Fragen gestellt: Springt Mahler bewusst zwischen Dur und Moll hin und her, um das gewohnte harmonische System aus den Angeln zu heben? Oder scheint ihm das Leben komplett aus Heiß-und-Kalt-Schockwellen zu bestehen?
Nach der durchgehend tragischen Sechsten setzt diese Symphonie der düsteren Stimmung einen lebensbejahenden Zug entgegen. Beeindruckend ist, wie gekonnt Mahler Naturlaute einarbeitete, Herdenglocken und Hornrufe sind leicht auszumachen. »Hier röhrt die Natur«, meinte der Komponist selbst. Und angeblich ist ihm ein musikalischer Einfall beim Rudern gekommen.
Das Hauptthema des ersten Satzes, das einem Thema der Sechsten nicht unähnlich ist und uns hier von den Hörnern präsentiert wird, ist geprägt von fanfarenartig gebrochenen Dreiklängen und abfallenden Quarten und Quinten. Im Verlauf dieses symphonisch großangelegten Satzes durchläuft es zusammen mit einem widerstreitenden, weit ausholenden zweiten Themen einige Wendungen, am Ende triumphiert es aber hymnisch. Dazu Marschrhythmen – offenbar wollte Mahler am Glanz nicht sparen.
Die für eine Symphonie ungewöhnliche Anzahl von fünf Sätzen ermöglicht ihm einen runden Aufbau: An die Stellen zwei und vier setzt er Nachtmusiken, die ein Scherzo umrahmen. (Der Beiname ›Lied der Nacht‹ stammt übrigens nicht von ihm selbst.) Zu der ersten Nachtmusik, einer Art romantischen Marsches, soll Rembrandts ›Nachtwache‹ Anstöße gegeben haben. Und tatsächlich befinden wir uns hier in einer musikalischen Zwischenwelt. Die Wesen, die im Dämmerlicht vorbeihuschen, sind unheimlich – Mahler arbeitet mit harmonischen Undeutlichkeiten, manchen Vorzeichen und deren prompten Auflösungen. Ähnlich schemenhaft ist das Scherzo. Mahler ist hier bei einer seiner Meisterdisziplinen angekommen: Dem Totentanz – der hier besonders skurril daherkommt; »Schattenhaft« lautet die Anweisung in der Partitur.
Mit der zweiten Nachtmusik hat uns die romantische Realität (falls es so etwas gibt) wieder: Hier singt ein schmachtender Liebhaber sein Ständchen. Wir hören – eher ungewöhnlich in der spätromantischen Symphonik – Gitarren- und Mandolinenklänge sowie eine schwelgerische Cello-Melodie. Im abschließenden Rondo-Finale ist Mahler dann kaum wieder zu erkennen. So heiter, so hell ist der Satz. War die Mitte des Werkes nächtlich geprägt, leuchtet hier der Tag. Das Thema, das die Hörner und Trompeten zu Anfang des Satzes markieren, ist in seiner C-Dur-Schlichtheit und mit seinem klaren Marschrhythmus beinahe schon provokant simpel. Und mit dem aus dem ersten Satz bekannten Hauptthema schließt die Symphonie so voller Kraft, als wollte Mahler das Glück parodieren. Wie auch immer: Hier ist man Mensch, hier darf man's sein!
Text von Olaf Dittmann
13.11.2016 - Lied der Nacht
Dirigent: Ion Marin
Sopran: Natalia Pavlova
Mezzosopran: Irina Shishkova
Tenor: Ilya Selivanov