Zum Abschluss ein Camouflage-Klavierkonzert aus der unruhigen Zeit zu Beginn der 1930er-Jahre: Die folkloristisch gefärbte »Symphonie concertante« stammt aus der Feder eines weiteren Osteuropäers. Karol Szymanowski wurde 1882 in Polen geboren und war somit noch eindeutig ein Kind des 19. Jahrhunderts. Stets reiste er viel durch (West-)Europa und somit durch die Musikgeschichte – sogar nach Nordafrika verschlug es ihn einmal. Einige Jahre lebte Szymanowski in Italien und Wien und kehrte erst 1919 nach Polen zurück. Der Neugierige experimentierte gern: Er entwickelte eine Art »polnischen Impressionismus« und hatte um die Jahrhundertwende zur Komponistengruppe »Junges Polen« gehört. Einflüsse von Strawinsky und Ravel waren stets deutlich, oder auch von Skrjabin und Bartók; nicht immer nahm er es so genau mit den Grenzen der Tonalität. Heute erfährt Szymanowski eher wenig Beachtung. Nicht eben gar keine, aber doch deutlich weniger als beispielsweise Mahler, Richard Strauss, Schönberg oder Berg. Was – so macht es auch diese vierte Symphonie deutlich – schade ist.
Da ist es schon wieder, das Wort »Symphonie«, wo es sich doch eigentlich um ein dreisätziges Klavierkonzert handelt. Es entstand für den Eigengebrauch, Szymanowski war Pianist. Und zwar offenbar kein schlechter, denn der Solopart verlangt dem Künstler einiges ab. Was dem in seiner Heimat hochverehrten Komponisten mit diesem Symphonie-Konzert gelang, ist eine Synthese seiner Charakteristika: Auf der einen Seite impressionistische und von der Volksmusik beeinflusste Klangbilder. Und auf der anderen Seite ein in den letzten Lebensjahren stark betonter, auf klare Formen setzender Klassizismus, gepaart mit virtuoser Spielfreude. So hat der erste Satz eine klare Sonatenform, der zweite orientiert sich am Lied, und der dritte könnte beinahe von Franz Liszt stammen – sofern man die dazwischenliegende Zeit, also nur fünf bis sechs Jahrzehnte, gedanklich ausklammert...
16.02.2020 - Schiebefenster: von Mozart zu Szymanowski
Sylvain Cambreling Dirigent
Shai Wosner Klavier
Adrian Iliescu Violine