Violinist
Als er als Kind nach Frankreich umsiedelte, entdeckte Tedi Papavrami ein Land und eine Kultur, die ihm völlig fremd waren. Seine angeborene Neugierde, die Notwendigkeit, die französische Sprache zu erlernen, um sich dort heimisch zu fühlen, und seine große Einsamkeit in den ersten Aufenthaltsjahren bewogen ihn dazu, etliche Bücher zu »verschlingen«: Stendhal, Proust, Flaubert, Dostojewski, Tschechow, Kafka u.v.m., immer auf Französisch...
Das ist, unter anderem, was diesen ungewöhnlichen Interpreten von der Musikwelt abhebt: Seine Neugierde, die gerade diese Grenzen überschreitet, sowie seine intellektuellen und künstlerischen Ansprüche, die ihn ständig dazu anspornen, die Entfernung zwischen seiner Heimat und anderen Horizonten zu überbrücken. Somit übernahm Papavrami im Jahr 2000 nach dem Ableben des Übersetzers Jusuf Vrioni ganz selbstverständlich die Aufgabe, die Werke des albanischen Schriftstellers Ismail Kadare, den er noch während der Kindheit in Albanien kennengelernt hatte, fortan ins Französische zu übersetzen. Für ihn wurde dieser Ausflug in die literarische Welt auch ein Mittel, »um nun auch professionell außerhalb der Geige zu existieren«. Diese belletristische Beschäftigung setzte er 2013 fort mit der Veröffentlichung seiner Autobiografie, Fugue pour Violon Seul, eine von der französischen Presse einhellig begrüßte Nacherzählung seiner Zeit als Wunderkind in Albanien bis zu seiner Absetzung in den Westen und in die Freiheit. 2003 wurde außerdem die Schauspielerin Jeanne Moreau in einem Fernsehstudio auf ihn aufmerksam. Daraufhin wurde ihm die Rolle des Geigers Danceny in Josée Dayans mehrteiliger Fernsehversion von Laclos’ Gefährlichen Liebschaften an der Seite von Catherine Deneuve, Rupert Everett und Nastassja Kinski angeboten.
Nach einer erfolgreichen Karriere als Solist und Kammermusiker seit den 1990er Jahren Tedi Papavrami lebt jetzt in Genf, wo er seit September 2008 an der Haute École de Musique eine Geigenprofessur innehat. Derzeit spielt er eine Geige, die der Gitarrenbauer David Leonard Wiedmer 2022 für ihn gebaut hat.
(Stand: 05/2025)
Nelson Goerner, Tedi Papavrami, Edgar Moreau | Werke für Klavier solo und Klavier-Trio
Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal