Konzert für Kammerorchester Es-Dur – »Dumbarton Oaks«

Bekanntlich war das Leben von Bach und seiner Familie von vielen Todesfällen und anderen Schicksalsschlägen geprägt; so starb rund
die Hälfte aller seiner Kinder vor dem dritten Lebensjahr. Auch Igor Strawinskys Leben verlief in Wellen; schon allein, was seine musikalische Laufbahn angeht: vom frühen Skandal-Erfolg des »Sacre« bis hin zu Neoklassizismus-Experimenten und wieder zurück. Strawinsky wurde dabei selbst steinalt: 88 Jahre. Dieses Glück hatte seine Tochter Ludmilla leider Gottes nicht. Denn sie starb viel zu früh, mit knapp 30 Jahren 1938 an Tuberkulose. Vater Igor suchte bald danach Trost und Ruhe auf dem idyllischen Landsitz Dumbarton Oaks bei Washington D.C. Besonders heilsam und tröstend erschien ihm die Musik von Johann Sebastian Bach, die er – so munkelt man – in seinem »Konzert für Kammerorchester Es-Dur«, das den Beinamen nach seinem Entstehungsort bekam, sogar explizit zitiert.

Diese Musik klingt nun zunächst keineswegs nach »Trauer« oder »Besinnung«. Fröhliche, neoklassizistische Motive hören wir. Doch ballen sich diese Motive der Geigen bald dissonant auf – und werden über- haupt von langgezogenen Tönen beobachtend kontrapunktiert. Dann lässt Strawinsky diese etwas fiesen Geigen ohne weitere Begleitung im (Partitur-)Raum stehen. Nach gut einer Minute dürfen nun die Blech- bläser mitmachen; und sie tragen sofort freundlich-pastorale Gesten bei. Das ist intelligente, unterhaltende, ja: erzählende Musik; Anleihen an die Kompositionen der »Alten«, doch gleichsam immer im kreativen Einklang mit dem Verweis auf Entstehungsort und Entstehungszeit.

Igor Strawinsky
Igor Strawinsky

Historie

03.04.2022 - Wellenbewegung

Geoffrey Paterson, Hans-Jürgen Schatz

Werke von Bach, Strawinsky und Strauss