Das erste Werk des heutigen Abends »Klavierkonzert« zu nennen, ist genau genommen ziemlich unscharf. Johann Sebastian Bach schrieb Cembalokonzerte. Das Klavier, so wie wir es heute als großen Konzertfügel kennen, gab es damals ja noch nicht. Doch auch dies bleibt eine unscharfe Bezeichnung. Denn zunächst schrieb Bach vor allem Violinkonzerte – und arbeitete diese später für das Cembalo um. Die Nummern 1052 bis 1059 des Bach-Werke-Verzeichnisses (BWV) umfassen sieben Konzerte für Cembalo und Orchester, die wohl zwischen 1733 und 1746 entstanden. (Weitere Nummern verzeichnen Konzerte mit zwei, drei oder sogar vier Cembalos.) Gut vorstellbar ist, dass Bach diese Konzerte während seiner Tätigkeit als Kapellmeister des Collegium musicum im »Zimmermann'schen Coffeehaus« in Leipzig spielte.
Das erste Konzert in d-Moll aus dieser Reihe, das der Pianist und Dirigent Lahav Shani vom Flügel aus leitet, ist das vielleicht beliebteste und am häufigsten aufgeführte unter ihnen – und teilt mit den sechs anderen die Satzfolge eines typischen Konzerts für Orchester und Soloinstrument: Schnell-Langsam-Schnell. In der Besetzung für Cembalo, Streicher und Basso continuo dauert es etwa 25 Minuten. Und wenn dem Hörer einzelne Teile durchaus bekannt vorkommen sollten, handelt es sich um keinen Zufall: Der erste Satz Allegro findet sich beispielsweise in Bachs Kantate »Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen« (BWV 146). Und auch der zweite Satz, ein beeindruckend zartfühlendes Adagio, das im Dreivierteltakt in g-Moll mit gebrochenen Dreiklängen ein betont ungeschmücktes, aber berührendes Thema beinhaltet, ist Teil dieser Kantate, nämlich in deren Chor-Stimme. In diesem zweiten Satz kommunizieren die Solostimme und die erste Violine sehr fein miteinander. Doch auch wenn der dritte Satz, wieder ein Allegro in d-Moll, das sich in der Kantate »Ich habe meine Zuversicht« (BWV 188) wiederfindet, recht flott erscheint – der Grundcharakter dieses d-Moll-Konzertes ist insgesamt dunkel-leidenschaftlich.