Zwei Porträts op. 5 (für Solovioline und Orchester)

Zu Béla Bartóks Zeiten malte man noch Porträts. Sogar mit Musik. In seinem frühen Opus 5, entstanden zwischen 1907 und 1911, »zeichnete« Bartók zwei davon. Das erste ist ein Idealbild, kunstvoll überhöht, eben so, wie man sich selbst gern sieht. Bartók bearbeitete dafür den ersten Satz seines ersten Violinkonzerts. Und so klingt dieses Porträt auch: Mitunter schwermütig, aber stets die Form wahrend und mehr schwelgend als expressiv. Die Solovioline darf sich ausbreiten, ohne jedoch allzu virtuos aufzuspielen. Das zweite, deutlich kürzere Porträt ist der Kontrast dazu: eine Groteske, der man ebenfalls die Herkunft anhört. Hier übernahm Bartók die letzte seiner 1908 entstandenen Bagatellen für Klavier als Orchesterversion. Entsprechend perkussiv ist der Tuttiklang, der flotte Walzer lässt an Jahrmarktstreiben des Volkes auf dem Dorfe denken. Ist dies also das »wahre« Gesicht? Das jüngere – oder sogar das ältere?

Es ist wohl diese Art von Musik, die es Bartók später oft schwermachte. In einem bekannten Brief beklagte sich der Ungar, dessen Geburtsort heute in Rumänien liegt, er wende in seinen Werken entgegen der herrschenden Meinung »niemals Volksmelodien an«. Außerdem sei seine Musik »durchaus tonal« und »eigentlich überhaupt nicht modern«. Zu oft sahen Bartóks Zeitgenossen ihn nur als Volksmusikforscher und geistigen Schüler Schönbergs. Doch bei genauerem Hinhören offenbaren diese beiden Porträts ihre Wurzeln in der Europäischen Kunstmusik, und zwar in der noch tonalen Spätromantik seiner Zeit.

Béla Bartók
Béla Bartók

Historie

16.02.2020 - Schiebefenster: von Mozart zu Szymanowski

Sylvain Cambreling Dirigent

Shai Wosner Klavier

Adrian Iliescu Violine