Klavierquintett g-Moll op. 57

Das Klavierquintett von Dmitri Schostakowitsch gehört zu seinen meistgespielten Kammermusikwerken und konnte schon bei der Uraufführung einen einhelligen Erfolg erzielen – was bei diesem Komponisten im Schraubstock der staatlichen Kulturdoktrin nicht immer der Fall war. Das Quintett aber war den Politbossen genehm und erhielt sogar den erstmals verliehenen und mit einer beträchtlichen Geldsumme verbundenen Stalin-Preis Erster Klasse für das beste Kammermusikwerk. Geschrieben wurde es in einer politisch angespannten Situation: 1940, ein Jahr vor Hitlers Einmarsch in die Sowjetunion und dem Beginn des »Großen Vaterländischen Krieges«. Schon kurz nach Fertigstellung des Manuskripts konnte die Uraufführung am 23. November 1940 im Kleinen Saal des Moskauer Konservatoriums stattfinden. Dabei wurde das »Beethoven Quartett« von Schostakowitsch selbst, der ein ausgezeichneter Pianist war, am Klavier begleitet; mit dieser Formation existiert auch eine Aufnahme.

Es scheint, als reflektiere das Quintett mit seinen antiromantischen Herbheiten die sich verdüsternde politische Situation. Die Grundhaltung ist ernst, geradezu grüblerisch. »Das Werk ergreift durch seine Tiefe und Größe... Die Kraft der ästhetischen Wirkung und die musikalische Ausdruckskraft des Quintetts sind wirklich bedeutend.« So schrieb das offizielle Sprachorgan, die »Prawda«, in einer enthusiastischen Uraufführungskritik. Für einige Jahre konnte der 1939 zum Professor berufene Komponist Atem schöpfen, bevor er erneute staatliche Repressalien zu erleiden hatte.

Das monumentale, dreiteilige Präludium setzt Streicher und Klavier klar voneinander ab: lineare Stimmführung hier, orgelartige Registrierung dort. Das Klavier stellt den thematischen Substanzkern aller fünf Sätze vor. Eine Fuge schließt sich als zweiter Satz an. Ihr großbogiges, lyrisches Thema wandert nacheinander durch die mit Dämpfer spielenden Streicher, dann zum Klavier. Trotz kunstvoller kontrapunktischer und rhythmischer Verdichtung bleibt das Geschehen kristallklar und von einer strengen Ruhe. Der schon bei der Uraufführung bejubelte »Hit« des Quintetts ist das rhythmisch markante Scherzo. Verspielt wirft das Klavier grelle Tanzmotive und fragile Klänge in hoher Lage ein. Das Intermezzo greift wieder den Trauergestus der Eingangssätze auf und wendet, wie Sergej Prokofjew anmerkte, »einen Händelschen Trick an – eine endlos lange Melodie vor dem Hintergrund eines Pizzicatos in den Bässen.« Attaca fegt das Finale alle grüblerische Schwermut, alle tief empfundene Emotionalität beiseite: ein lichter, versöhnlicher Ausklang, dessen entspannte, slawisch gefärbte Musizierfreude im Kontext des gesamten Quintetts fast schon suspekt erscheint – was die Freude an seinem vitalen Charme aber nicht trüben sollte.
Dmitri Schostakowitsch
Dmitri Schostakowitsch

Historie

22.06.2019 - Gefühle und Gedanken

Martha Argerich, David Chen, Evgeni Bozhanov, Akane Sakai, Guy Braunstein, Mayu Kishima, Lyda Chen, Andrei Ioniţă