Entstehungszeit: 1883
Uraufführung: 2. Dezember 1883, Wiener Philharmonikern unter Hans Richter
Erstdruck: Berlin, N. Simrock, 1884
Dauer: ca. 32 Minuten
Der äußerst selbstkritische Johannes Brahms war immer von der Mission erfüllt, das fortzusetzen, was ihm als klassisches Erbe Beethovens galt. Doch dieses bedrückende Vermächtnis lähmte ihn, hörte er doch immer »einen Riesen hinter sich marschieren« Als er 1876 endlich mit seiner ersten Symphonie erfolgreich war, war der Bann gebrochen. Kritiker lobten sie als »Zehnte« Beethovens und meinten über Brahms: »Das ist der Erbe Beethovens«. Brahms war ein eigener symphonischer Weg gelungen. Er komponierte mit Hilfe der »entwickelnden Variation« und füllte die »alten Formen« mit neuen, eigenen Inhalten. Und auch als später seine 3. Symphonie uraufgeführt wurde, war der Jubel groß. Kritik und Musikerkollegen lobten sie fast einhellig als das Beste, was Brahms bisher geschaffen hatte. Für den damaligen »Papst« der Musikkritik, Eduard Hanslick, übertraf Brahms mit seiner Dritten seine ersten beiden Symphonien. Er schrieb in seiner Besprechung: »Sie ist gedrungener in der Form, durchsichtiger im Detail, plastischer in den Hauptmotiven. Die Instrumentierung ist reicher an neuen reizenden Farbenmischungen als die früheren.« Auch Hans Richter und Clara Schumann waren begeistert.
Die Dritte ist die kürzeste der Brahms-Symphonien. Der erste Satz beginnt mit einem Motto, das Brahms in seiner Jugend mehrfach als Ausdruck seiner Bindungslosigkeit einsetzte: »Frei, aber froh« – eine Anspielung auf das Lebensmotto »Frei, aber einsam« des Geigers Joseph Joachim, der ein guter Freund von ihm war. Die Tonfolge »F-A-F« ist aber nun – im mittleren Lebensalter – nach Moll alteriert und die aufsteigende Terz mit nachfolgender Sext lautet F-As-F. Dieser melodisch-harmonische Ausgangspunkt bildet für die gesamte Symphonie die Keimzelle und ist Quelle für viele thematische Entwicklungen. Die häufigen und schnellen Wechsel zwischen Dur und Moll sind in diesem Motto ebenfalls angelegt. Bereits in seine Vorstellung fällt mit weiträumigen Intervallschritten das stürmisch absteigende Hauptthema des Kopfsatzes ein – weniger ein Thema im klassischen Sinne als lediglich eine heroische Folge von drei Motiven, die nach mehreren Anläufen eine Auflösung erfahren. Als ruhiges Seitenthema in A-Dur trägt die Klarinette eine tänzerisch ausschwingende Melodie vor. Über wiegender Begleitung entfaltet sich eine idyllische Klangwelt. Doch im weiteren Verlauf kommt es zu starken Kontrastwirkungen und machtvollen Steigerungen. Ein schmerzlicher Grundton ist unverkennbar. Melancholisch klingt der Satz aus.
Das schwerelos strömende Andante des zweiten Satzes lässt mit seinem liedartigen Hauptthema alle Dramatik des Kopfsatzes vergessen. Mit einfallsreicher Variation und Umspielung führt Brahms das Thema fort, ergänzt es mit einem auftaktigen Seitenthema der Holzbläser und entführt in eine Stimmung selbstvergessener Weltferne. Der dritte Satz wirkt wie ein melancholisches Intermezzo und lässt nur in seiner dreiteiligen Form an vergleichbare Scherzo-Sätze denken. Insgesamt herrscht hier eine entspannte Gelassenheit, die höchst kunstvoll in Szene gesetzt ist. Mit unvergleichlich aufgeladener Dramatik folgt der Finalsatz. Scheinbar harmlos – aber mit unterschwellig spürbarer Spannung – eröffnen ihn Streicher und Fagott mit Unisono geführten Sekundschritten. Ein kurzes choralartiges Innehalten – und es bricht eine scharf akzentuierte Leidenschaft los, die über weite Teile den Charakter des Satzes bestimmt. Entgegen der aufgebauten Erwartung klingt er aber ohne heroische Geste in gelöster Stimmung aus. Der Freund und Kollege Dvořák beschrieb die Schönheiten der Symphonie mit den Worten: »Es ist lauter Liebe und das Herz geht einem dabei auf.«
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