»Till Eulenspiegels lustige Streiche« – Tondichtung für großes Orchester

Kann Musik lustig sein? Musik für ernste Anlässe kennen wir zuhauf. Staatsakte, Begräbnisse und große Dramen in der Oper werden mit feierlichen Moll-Klängen bedacht. Und auch das Gegenteil ist allgegenwärtig: »Fröhliche« Musik soll uns auf Partys in Stimmung bringen, im Yogastudio für Entspannung sorgen – oder beim Shopping zum Geldausgeben verleiten. Doch gibt es auch Musik, die in ihrer inneren Struktur lustig ist? So wie ein Witz? Das ist eine sehr alte Frage der Musikgeschichte. Und sie berührt eine noch ältere Frage: Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es zwischen Musik und Sprache? Wenn wir einen Witz erzählen, führen wir eine zweite Ebene ein: Die Worte, die wir benutzen, bedeuten mehr als ihr eigentlicher semantischer Gehalt. Zwar kein guter, aber immerhin ein Witz könnte sein: »Dieser VW-Diesel ist ein sauberes Auto.« Es handelt sich um eine einfache Aussage, die wahr oder falsch sein kann – doch wer Zeitung liest, dürfte ins Schmunzeln geraten: Der Satz bedeutet mehr als die Summe der einzelnen Worte. Die Frage ist nun, ob Musik das auch kann.

Unmöglich scheint dies nicht. Denn Musik kann ja so einiges, was zumindest Ähnlichkeit mit der zweiten Ebene hat: Sie kann Geräusche, Tierstimmen oder etwa menschliche Bewegungen nachahmen, die wir als lustig empfinden. Sie kann etwa mit verschiedenen Instrumenten eine Art Disput inszenieren – Stummfilme gewannen auf diese Art einst wesentlich an humoristischer Färbung hinzu. Oder sie kann auf sich selbst verweisen, indem sie bekannte Motive und Themen zitiert.

In seiner frühen Tondichtung »Till Eulenspiegels lustige Streiche« machte Richard Strauss schon im Titel ein Versprechen: Diese Musik soll lustig sein. Dass die »Leute im Konzertsaal einmal richtig lachen«, war sein Ziel. Und auch der Untertitel des rund 15 Minuten langen, am 5. November 1895 in Köln uraufgeführten Werkes stößt ins selbe Horn: »Nach alter Schelmenweise in Rondeauform für großes Orchester gesetzt«.

Till Eulenspiegel war im 15. Jahrhunderts ein Schalk, der durch die Lande zog und den Autoritäten mit seinem frechen Verhalten einen Spiegel vorhielt. Dazu wählte er eine bewährte Form der Komik: die Parodie, also die übertreibende Nachahmung. Indem Till Eulenspiegel sich überdeutlich an die tradierten Sitten hielt, gab er sie dem Gelächter Preis – und regte so das Nachdenken über deren Sinnhaftigkeit an. Richard Strauss macht uns – und das ist seine kluge Kunst – in sehr ähnlicher Weise mit einer Humorform der Musik vertraut: Er zitiert überlieferte Formen und parodiert sie gleichermaßen. Denn was soll es anderes sein, wenn er beispielsweise übliche tonale Kadenzen oder Liedformen benutzt, diese aber in Formen überführt, welche sich von Harmonie und Metrum lossagen? Hinzu kommt eine Motivgestaltung, die den neckischen Tonfall der menschlichen Stimme nachahmt, etwa wenn die Tante mit dem Kleinkind spricht, sowie natürlich Richard Strauss‘ unnachahmliche Instrumentationskunst, die mitunter aus eigentlich bekannten Orchesterstimmen Geräusche wie im Zeichentrickfilm macht. Und so vergeht keine Aufführung ohne ein Schmunzeln auf den Gesichtern im Publikum.
Richard Strauss
Richard Strauss

Historie

14.04.2019 - Haydn-Spaß mit Eulenspiegeleien

Sylvain Cambreling Dirigent

David Kadouch Klavier

Werke von Strauss und Haydn