Klavierkonzert D-Dur für die linke Hand

Von ganz anderem Charakter ist das Klavierkonzert für die linke Hand. Ravel schrieb Anfang der 1930er-Jahre quasi zeitgleich zwei Werke dieser Gattung – sie waren zugleich seine letzten Instrumentalwerke. Dieses knapp 20 Minuten lange D-Dur-Konzert ist das eindrücklichere. »Das Konzert für die linke Hand ist anders geartet und in einem einzigen Satz mit vielen Jazz-Effekten«, beschrieb Ravel seine Arbeit. »Der Stil ist nicht so einfach. In einem Werk dieser Art besteht das Wesentliche darin, dass man nicht den Eindruck eines leichten Klanggewebes erweckt, sondern im Gegenteil die Illusion gewinnt, es sei für beide Hände geschrieben. Auch wählte ich hier einen viel imposanteren Stil, wie ihn das traditionelle Konzert liebt.«

Den Auftrag für das Konzert gab der Pianist Paul Wittgenstein, dem der Erste Weltkrieg seinen rechten Arm geraubt hatte. (Dessen Bruder Ludwig war der bekannte Philosoph.) Ob ein CD-Hörer, der das Werk erstmals vernimmt, erkennt, dass es sich um nur eine Spielhand handelt? Wohl kaum. So gekonnt und durchaus virtuos ist die Solostimme gearbeitet. Die Herausforderung, mit der linken Hand immer wieder auch in die hohen Lagen zu springen, ist immens. Dieses Konzert gilt deshalb stets auch als Bravourstück für alle Pianisten, die sonst beide Hände einzuset- zen gewohnt sind.

In diesem einen Satz lassen sich zwei Abschnitte ausmachen. Der erste beinhaltet den von Ravel beschriebenen „imposanten« Charakter: streng punktierte Orchesterakkorde. Doch der einleitende Beginn des Werkes, das »Werden« gleichsam, ist dunkel gehalten – dass Ravel hier die mittelbar erlebten Schrecken der Weltkriegszeit (der Tod von Freunden und der Mutter) verarbeitete, ist offensichtlich. Das Klavier beginnt etwas später mit einer ebenso düsteren Solokadenz. Der zweite Teil führt dann die ebenfalls von Ravel erwähnten Jazzelemente ein und stellt alle Mitwirkenden vor große Herausforderungen, indem er Themen und sogar gegenläufige Rhythmen übereinanderschichtet. Der Schluss ist im scheinbar strahlenden D-Dur gestaltet – es bleibt aber ein schattenhafter Eindruck von marschierender Gewalttätigkeit.

Maurice Ravel
Maurice Ravel

Historie

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