Entstehungszeit: 1919
Dauer: ca. 18 Minuten
Entstehungszeit: 1929-31
Dauer: ca. 25 Minuten
Im Paris des Fin de Siècle pulsierte das Leben. Jean Cocteau hatte der jungen musikalischen Avantgarde den Rat gegeben: »Kultiviere das, was Dir das Publikum vorwirft, denn das bist Du.« Genau das tat Maurice Ravel. Doch es war anfangs alles andere als einfach für ihn, sich durchzusetzen. An der Pariser Universität mit ihren konservativen Methoden hatte er es als Quergeist schwer. Ähnlich erging es ihm bei Publikum und Kritikern: An seinen Werken schieden sich die Geister. Ravel gab aber nicht auf. Er folgte weiter seinen Impulsen. Im Umkreis der Impressionisten und Symbolisten entwickelte er seinen unabhängigen Stil. Wer ihn fragte, welcher musikalischen Strömung er angehörte, bekam als Antwort: »Überhaupt keiner, ich bin Anarchist.« Doch er orientierte sich durchaus an klassischen Vorbildern und gab auch zu: »Ein Komponist, bei dem keinerlei Einflüsse zu erkennen sind, sollte seinen Beruf wechseln.«
Nach dem Ersten Weltkrieg war Ravel gesundheitlich angeschlagen; er konnte kaum noch schlafen, war ständig müde und angespannt. Die Kriegsjahre nagten an ihm. Er widmete die einzelnen Sätze seiner während des Krieges entstandenen sechssätzigen Klaviersuite »Le Tombeau des Couperin« seinen gefallenen Kameraden – 1920 wurde die viersätzige Fassung für Orchester uraufgeführt, welche Toccate und Fuge des Originals außer Acht lässt. Doch anstatt neue musikalische Wege der Moderne zu beschreiten, ging Ravel zunächst einen großen Schritt zurück: Sein Werk ist eine Hommage an den französischen Barock-Komponisten François Couperin (1668-1733). In kleiner Besetzung beeindrucken vor allem die Feinheit und Grazie dieses Werkes.
In den 1920-er Jahren war er lange »absolut unfähig« zu arbeiten, obwohl er einen »heftigen Zwang« dazu verspürte. Dennoch nahm er 1928 die Strapazen einer Amerika-Tournee auf sich. Publikum und Kritiker feierten ihn begeistert. Zurück in Paris schrieb er Ende des Jahres mit dem »Boléro« sein bekanntestes Werk. 1929 erholte er sich einige Monate in seiner Heimatregion, dem Baskenland. Hier fand er die nötige Ruhe, sich an ein länger geplantes Klavierkonzert zu setzen. Während der Arbeit an diesem Konzert in G-Dur erreichte ihn ein Auftrag des einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein, ein Konzert für die linke Hand zu komponieren. Dieses Projekt reizte Ravel, und so schrieb er vom Sommer 1929 bis November 1931 gleichzeitig an beiden Klavierkonzerten, die seine letzten Instrumentalwerke waren.
Das G-Dur-Konzert widmete Ravel der bedeutenden Pianistin Marguerite Long, die es am 14. Januar 1932 im Pariser Salle Pleyel unter seiner Leitung uraufführte. Viele Jahre später erinnerte sie sich an jene Zeit: »Als er mir das Manuskript brachte, am 11. November 1931, da hab ich mich an die Arbeit gemacht. [...] Er war wahnsinnig ungeduldig, er wollte immer was hören. [...] Ich hatte Schwierigkeiten, seine Noten zu lesen. Aber als ich dann die Musik darin entdeckt habe, war ich aufgeregt und zutiefst bewegt. Als ich im großartigen Andante zum Thema des Englisch Horn kam, das über den Zweiunddreißigsteln im Klavier aufblüht, so unbeschreiblich schön, da sind mir die Tränen runtergelaufen! [...] Ravel dirigierte die Uraufführung. Das war eine große Premiere, es kamen so viele, wir mussten manche Leute wieder wegschicken. Ein großer Tag!«
Obwohl beide Klavierkonzerte zur gleichen Zeit entstanden, sind sie im Charakter grundverschieden: Das heitere, mit Jazzelementen versehene G-Dur-Konzert verhält sich zu dem eher ernsten Schwesterwerk in D-Dur wie ein Spiegelbild. Gemein ist den beiden Konzerten die Perfektion der Ausarbeitung. Über das G-Dur-Konzert sagte Ravel, es sei »im Geist der Konzerte von Mozart und Saint-Saëns geschrieben«. Er erwog auch, es »Divertissement« zu betiteln. Außerdem wollte er, dass es »fröhlich und brillant« sei und dass »es nicht notwendig« sei, »nach Tiefe und dramatischer Wirkung zu streben«. Doch trotz fast klassizistischer Knappheit und Konzentration weist das Konzert jede Menge Witz und farbenprächtige Virtuosität auf. Die Ecksätze verwerten Teile einer viel früher geplanten »Baskischen Rhapsodie«.
Mit einem effektvollen Peitschenknall setzt das Werk ein. Das darauf folgende Hauptthema gibt sich munter und tänzerisch. Ein breites und sehr melodisches Seitenthema wird später herbeigeführt und weist jazzartige Akzente auf – »diese jedoch mit Maß«, wie Ravel festhielt. Im Adagio trägt das Klavier eine weitschweifende Kantilene vor, die Ravel »unter Zuhilfenahme des Klarinettenquintetts von Mozart« entwickelt hat – allerdings schien er daran auch zwischenzeitlich zu verzweifeln: »Diese fließende Melodie! Wie ich sie Takt für Takt überarbeitet habe! Sie hat mich fast umgebracht!« Ein rasches Presto in Rondoform dient als lebhafter Finalsatz. Es ist virtuos ausgearbeitet, mit Jazzelementen gespickt und endet in strahlendem Optimismus.
25.02.2018 - Fin de Siècle
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Javier Perianes Klavier
Werke von Ravel und Schostakowitsch
25.04.2024 - Zimmerzauber
Sylvain Cambreling, Martha Argerich – Werke von Boesmans, Ravel und Prokofjew