Natürlich war es selbst für einen Jahrhundertkomponisten wie Ludwig van Beethoven (1770–1827) zunächst nicht eben leicht, sich mit Haydn und Mozart im Rücken zu profilieren. Erst mit 30 Jahren legte er seine erste Symphonie vor. Und im Gegensatz zu Rigel, Gluck und Mozart profilierte er sich kaum als Opernkomponist. Doch Graf Waldstein hatte bekanntlich schon früh prophezeit, Beethoven werde »Mozarts Geist aus Haydns Händen erhalten«. Und schließlich gelang es dem Gepriesenen mustergültig, die Wiener Klassik in ungeahnte Höhen (und darüber hinaus) zu führen.
Erstaunlich, wie die Zahlen zum Ereignis passen: 1799 schuf Beethoven seine C-Dur-Symphonie, die 1800 uraufgeführt wurde. Und tatsächlich handelte es sich um einen Jahrhundert-Neubeginn, um den – auf Traditionen fußenden – Start in ein neues musikalisches Zeitalter, das bis zur nächsten Jahrhundertwende Bestand hatte.
Mit einer Adagio-molto-Einleitung beginnt der erste Satz, und im Allegro con brio hören wir kurz darauf das C-Dur-Hauptthema, das auch aus Mozarts Feder stammen könnte. Das Andante cantabile con moto hält eine feine, verträumte Legato-Melodie im Pianissimo bereit, welche einen Sonatensatz einleitet, der dem Haydnschen in nichts nachsteht. Den dritten Satz nennt Beethoven ganz traditionell Menuetto, doch eigentlich befinden wir uns schon auf dem Weg zu dem für ihn typischen Scherzo: Ein Trio unterbricht mit seiner eher schlichten Gestaltung die starken Kontraste dieses dritten Satzes. Und das Finale, das wieder deutlich die Vorbilder Haydn und Mozart erkennen lässt, ist schließlich trotz seiner Kürze so lustig und voller Lebensfreude, dass man Beethovens Stolz über seinen symphonischen Erstling herauszuhören meint.
Bemerkenswert ist, dass sich in den Jahrzehnten um 1800 nicht nur die Wiener, sondern auch die Weimarer Klassik ausbildete. Und wenn man die dortigen Protagonisten Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller vor dem geistigen Auge neben Haydn, Mozart und Beethoven stellt, wird deutlich, was das Adjektiv »klassisch« im Innersten bedeutet: In Anlehnung an das lateinische »classicus« (ersten Ranges, mustergültig) haben wir es mit Werken zu tun, die zeitlos gültig sind. Sie zeugen von einer Vollendung des jeweiligen Kunstideals, sind in sich geschlossen und formal ausgewogen. Inhaltlich haben sie eine klare Aussage, die universell gilt. Einerseits nehmen sie Bezug auf die großen Errungenschaften vergangener Zeiten, etwa der Antike. Und andererseits dienen sie künftigen Generationen als Vorbild. Mit den üppigen, teils verworrenen Formen des Barock will die Klassik nichts zu tun haben. Sie will Allgemeingültiges mit einfachen und vollendeten Mitteln erzählen. Aus These und Antithese schafft sie stets Synthese. Für die Musik lässt sich sagen: Es hat geklappt. Die Wiener Klassik hat zeitlos begeisternde Formen geschaffen – etwa den Sonatenhauptsatz, die dialogische The- menarbeit, die harmonischen Strukturen oder die typischen achttaktigen Perioden –, auf die sich nachfolgende Komponisten beziehen mussten, sei es, indem sie ganz bewusst mit diesen Formen brachen.
Beethovens Genius und Neubeginn zeigt sich darin, dass er Vollender und Überwinder in einer Person war.
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