Entstehung zwischen 1796 und 1800
Uraufführung 2. April 1800 im Wiener Burgtheater (möglicherweise auch schon 1798 in Prag)
Widmung Fürstin Barbara Odescalchi
Erstdruck T. Mollo 1801 (Wien)
Spieldauer ca. 38 Minuten
Mit Zahlen ist es in der Musikgeschichte so eine Sache. Wenn wir »Nummer eins« hören, erwarten wir Frische, Aufbruch, Neues. So natürlich auch bei Beethovens erstem Klavierkonzert. Doch der Komponist führte schon seine Zeitgenossen in die Irre. Frühe Versuche des Jugendlichen erhielten gar nicht erst eine Ordnungszahl. Und die Nummer eins ist eigentlich die Nummer zwei: Das C-Dur-Konzert op. 15 entstand nach dem B-Dur-Konzert op. 19. Zufällig erfüllt aber genau dieses Durcheinander unsere Erwartungen. Denn das seit 200 Jahren fälschlich mit »Nummer eins« betitelte Konzert ist durchaus ein frischer Aufbruch, mit dem sich Beethoven vom Vorbild Mozart emanzipierte. (Das seltener gespielte B-Dur-Konzert wirkt verhaltener, mit weniger Mut ausgestattet.)
Wann genau Beethoven sein Opus 15 schrieb und als Pianist uraufführte, ist etwas nebulös. Klar ist aber, dass das »romantische 19. Jahrhundert« mit diesem Klavierkonzert noch nicht begann. Beethoven orientiert sich hier an der Wiener Klassik von Mozart und Haydn; das Ergebnis ist damalige Unterhaltungsmusik im besten Sinne. Und dennoch könnte man den Urheber dieses Konzerts nicht verwechseln. Der Beethoven-Klang ist bereits vorhanden. Ein Individualstil, der sich durch mitunter schroffe Gegensätze und eine stupende Genauigkeit in der rhythmischen Gestaltung auszeichnet, beginnt, sich erkennbar durchzusetzen.
Zudem bleibt kaum verborgen, dass Beethoven im Vergleich mit dem Salzburger der virtuosere Solist war: Wie Mozart schrieb er die Klavierwerke für seine eigenen Auftritte. Technisch hatte er einige herausragende Fingerfertigkeiten, also komponierte er nicht weniger als das, was er konnte.
Manche Verzierungen und rasanten Läufe prägen die Partitur – die sich außerdem erstmals bei Beethoven durch eine üppige Orchesterbesetzung samt Klarinetten, Trompeten und Pauke auszeichnet.
Der erste Satz, ein Allegro con brio, beginnt mit einer Orchestereinleitung, die an einen Marsch erinnert. Das erste Thema, das darin vorkommt, ist eher rhythmisch denn melodisch geformt und setzt sich gleich von der Tradition ab – Mozart etwa hätte ein solches leicht stampfendes Gebilde eher nicht an den Anfang gestellt. Auch das zweite Thema stellt uns das Orchester vor, noch bevor das Klavier überhaupt einen ersten Ton gespielt hat. Dieser zweite Gedanke ist deutlich gesanglicher und wandert von Dur nach Moll. Die Arbeit an den beiden Themen übernimmt anschließend vor allem das Klavier, und natürlich darf in diesem ersten Satz auch eine ausgeprägte Solokadenz nicht fehlen. Hier können sich die Solisten mit ihrem Können zeigen – was Beethoven, so ist zu vermuten, in der Uraufführung auch tat. (Übrigens schrieb er selbst einige Jahre später gleich mehrere Alternativen für die Kadenz.)
Dass dieses Konzert an Beliebtheit über die Jahre kaum eingebüßt hat, ist nicht zuletzt dem Largo an zweiter Stelle zu verdanken. In diesem langsamen Satz zeigt sich bereits der getragen-stimmungsvolle Beethoven späterer Jahre. Der lyrische Charakter in As-Dur macht klanglichen Eindruck. Und originell ist, dass am Satzbeginn noch Motive aus dem vorigen Allegro con brio zu hören sind – eine solche innere Beziehung von Satz zu Satz ist im 18. Jahrhundert ungewöhnlich und setzt sich erst mit Beet- hoven und den nachfolgenden Symphonikern mehr und mehr durch.
Abschließend erleben wir ein vergleichsweise kurzes Rondo, dessen Hauptthema das Klavier vorstellt und vom Orchester wiederholt wird. In diesem Allegro scherzando blitzt der Humor eines Haydn auf; vor allem aber ist auffällig, dass sich Beethoven der Volksmusik annähert: heiter, tanzend und melodisch eingängig ist der Charakter dieses dritten Satzes. Und auch das Klavier stimmt in den an Legato-Sechszehnteln und Stakkato-Achteln reichen Trubel ein. Ein überraschender Eindruck ergibt sich, wenn der Satz im piano zu enden scheint – und dann doch noch ein paar kräftige Forte-Akkorde folgen.
20.01.2019 - Martha Argerich
Ion Marin Dirigent
Martha Argerich Klavier
Werke von Beethoven und Prokofjew