Entstehung: 1811-1812
Uraufführung: 27. Februar 1814 in Beethovens Akademie im großen Redoutensaal in Wien
Erstdruck: Wien: Steiner, 1817
Spieldauer: ca. 25 Minuten
Ludwig van Beethoven war bekanntlich ein politisch interessierter Künstler. Um nicht zu sagen: Er beobachtete die Umwälzungen seiner Zeit mit heftigster Leidenschaft. Und er übersetzte das Geschehen in Musik. Wenn Neues entsteht, wird Altes in Frage gestellt. Insofern war Beethoven ein Krisen-Komponist: Er war getrieben von der Erkenntnis, dass alte Antworten nicht mehr auf neue Fragen passten. Die Musikgeschichte ist ja voll davon. Und wir können froh darum sein: Ohne Krisen gäbe es keine Neuerungen. Keine Romantik zum Beispiel. Und keine Experimente. Dann klänge Mahler wie Mozart. Schön, aber doch nur wie ein Abklatsch.
Was passiert, wenn Musik aus sich selbst heraus in eine Krise gerät, hören wir in Beethovens Achter. Bevor er seine grundstürzende 9. Symphonie zu Papier brachte, ließ er die an Traditionen so reiche Gattung in seiner Achten noch einmal mutwillig gegen die Wand fahren. Er präsentierte eine 8. Symphonie, deren Bestandteile so sehr auf die Spitze getrieben werden, dass man sie wahlweise als Höhepunkt des gesamten symphonischen Schaffens oder eher als Parodie desselben verstehen konnte. Wie auch immer – das Ergebnis steckt so voller Humor, wilder Ausgelassenheit und frecher Missachtung des Hergebrachten, dass es eine Freude ist.
Das eher kurze Werk entstand nahezu zeitgleich mit der Siebten. Das erste Publikum war nicht gerade begeistert. Doch Beethoven selbst betonte, Nummer acht sei »viel besser« als Nummer sieben. Auf solcherart Komponisten-Aussagen darf man eigentlich nicht zu viel geben. Klar ist aber, die Achte ist anders als die Siebte. Und zudem deutlich radikaler als die allermeisten damals geläufigen Symphonien. Nur ein Beispiel: Die Dynamik. Im ersten Satz findet man ein dreifaches Fortissimo – so etwas gab es bei Beethoven bis dahin noch nie. Auch begnügt sich Beethoven nicht damit, seine Themen in einer Durchführung auszuarbeiten. Nein, das Allegro vivace e con brio ist im Grunde eine einzige große Durchführung. Und dann der zweite Satz (der übrigens gar keine Durchführung aufweist): Oft wurde versucht, das »Ticken« zu Beginn lautmalerisch zu deuten. Vielleicht wäre eine mögliche Antwort, dass Beethoven uns das Vergehen der Zeit vor Ohren führt; die Uhr tickt, und so ist auch dieses Scherzo nicht von Dauer. Anschließend erleben wir ein Menuett, das nicht wirklich eines ist – zu groß ist die Instrumentation, und zu holprig versucht sich Beethoven am Tanzcharakter.
Kernstück dieser 8. Symphonie ist aber das vergleichsweise lange Finale. Hier gerät der Zuhörer nun völlig durcheinander. Was war noch mal die Grundtonart? Was ist Haupt-, was Nebenthema? Und gibt es überhaupt noch eine Unterteilung in so etwas wie Exposition und Durchführung? Das ist durchaus radikale Musik. Natürlich hören wir ihr ihre Epoche (die Klassik an der Schwelle zur Romantik) noch deutlich an. Doch in dem Maß, in dem Beethoven hier traditionelle Formen in Frage stellt, ist er ein Neuerer par excellence. Ein kreativer Geist ohne Schranken. Und dies ist umso bemerkenswerter, als dass er alles ja bekanntlich nur noch innerlich hörte.
23.04.2017 - Gullberg Jensen meets Perianes
Javier Perianes spielt das 2. Klavierkonzert von Saint-Saëns. Des Weiteren: Beethovens 8. und Schumanns 2. Symphonie.
Eivind Gullberg Jensen Dirigent
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